Die Teilzeit-Selbständigkeit in der Ernährungsberatung ist Gang und Gebe. Leider. Für mich war immer klar, dass mein Studium Ernährungswissenschaften einzig und alleine den Zweck hatte, mich selbständig zu machen.
Doch meistens kommt es erst mal anders als man denkt. Aber dazu später.
Für viele meiner Kolleginnen und Kollegen ist das nicht so klar und auch ich habe es immer wieder im Vorfeld gehört: Mit Ernährungsberatung kannst Du kein Geld verdienen.
Beatrice Krammer hat zur Blogparade zum Thema Teilzeit-Selbständigkeit aufgerufen und da habe ich mich natürlich sofort angesprochen gefühlt. Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Wirtschaftkammer bin ich ja laufend mit der Thematik konfrontiert.
Mit Ernährungsberatung kannst Du kein Geld verdienen!
Ist das wirklich so? Ist Ernährungsberatung ein brotloser Job?
Die rechtlichen Hintergründe für die Ernährungsberatung
Ernährungsberatung gehört in Österreich gewerberechtlich zu den Lebens- und Sozialberatern und ist eines von drei Gewerben, die unter diesen Gewerbeschein fallen.
Um Ernährungsberatung ausüben zu können braucht es entweder das Studium der Ernährungswissenschaften oder das Studium der Diätologie an einer österreichischen Universität oder Fachhochschule. Das ist leider immer noch nicht allen bekannt und viele starten eine Ernährungsausbildung, die diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Am Ende ihrer meist sehr kostspieligen Ausbildung stehen sie dann vor der Herausforderung, dass sie mit dieser Ausbildung nicht wirklich etwas anfangen können.
Daher solltest Du Dich, egal ob Du Teilzeit-Selbständig oder Vollzeit in die Ernährungsberatung gehen möchtest, im Vorfeld erkundigen, ob die Ausbildung ausreichend ist für einen entsprechenden Gewerbeschein.
In Deutschland und in der Schweiz ist die Situation etwas anders. Erkundige Dich in jedem Fall, wie die rechtliche Situation bei Dir im Land ist, damit Du keine bösen Überraschungen erlebst.
In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Berufsgruppensprecher für die Wirtschaftskammer in Niederösterreich habe ich solche Enttäuschungen allzu oft erlebt.
Geld verdienen mit Ernährungsberatung
Jetzt könntest Du natürlich einwenden, dass dann natürlich kein Geld damit zu Verdienen ist, wenn man gar keinen Gewerbeschein bekommt. Ganz klar. Das erschwert die Situation. Allerdings nicht wirklich, denn gerade im Gesundheitsbereich ist eine fundierte Ausbildung dringend erforderlich. Daher ist eben auch ein Studium notwendig, um in der Ernährungsberatung tätig zu werden. Egal, ob man diese Selbständigkeit nun in Teilzeit oder in Vollzeit ausübt.
Es gibt auch sehr viele wirklich gut ausgebildete Ernährungswissenschafter und Diätologen. Traurig ist nur, dass sich viele gar nicht in die Selbständigkeit wagen.
Und genauso traurig ist es, dass sich viele, die keine fundierte Ausbildung haben, diesen Job sehr wohl in vollem Umfang zutrauen.
Hier fällt mir immer wieder auf: Je weniger fundiert die absolvierte Ausbildung war, umso mehr Selbstbewusstsein und Zutrauen in die Tätigkeit als Ernährungsberater bringen die Absolventen mit. Sie sind sich einfach der Konsequenzen nicht bewusst, welche Gefahren hinter einer nicht fachlich fundierten Beratung lauern.
Und dann ist da noch dieser alte Glaubenssatz ...
... mit Ernährungsberatung kann man kein Geld verdienen.
Wie oft habe ich diesen Satz gehört, wenn ich erzählt habe, was ich mit meinem Studium anfangen wollte. Das ist fast ein bisschen so wie mit der Geschichte um Roger Bannister. Roger Bannister war der erste Mensch, der 1954 die Englische Meile (1609 m) unter 4 Minuten gelaufen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hieß es, es sei physiologisch unmöglich, dass ein Mensch so schnell laufen könne. Bis Roger Bannister es einfach gemacht hatte. Danach konnten das viele.
Mit der Ernährungsberatung in Vollzeit ist es dasselbe. Du musst es nur tun, an Dich glauben und dranbleiben. Dann kannst Du auch mit einem Job im Gesundheitsgewerbe erfolgreich sein.
Viele Kolleginnen und Kollegen sind allerdings der Meinung, dass das genau in diesem Bereich unmöglich ist und sind nur Teilzeit-Selbständig in der Ernährungsberatung tätig. Viele haben einen Brotjob und die Ernährungsberatung ist dann sowas wie die Butter aufs Brot.
Die Gefahren einer Teilzeit-Selbständigkeit in der Ernährungsberatung
Natürlich kannst Du eine Teilzeit-Selbständigkeit als Start in die Vollzeit-Selbständigkeit sehen. Und es ist für viele auch leichter, so zu starten. Für viele passt das auch so, doch wenn Du überlegst, damit wirklich auch mal das Brot zu verdienen, dann birgt ein solcher Start auch viele Gefahren bzw. viele Nachteile.
Ich kann Dir das aus eigener Erfahrung erzählen.
Ich war selbst auch mal Teilzeit-Selbständig trotz Ernährungsberatung
... nur kaum einer hat's gemerkt. Wie kam das?
Ich habe mich nach Abschluss meines Studiums und meiner Zusatzausbildung in der Traditionellen Chinesischen Medizin sofort selbständig gemacht - und zwar Vollzeit. Und natürlich haben mir die Klientinnen und Klienten nicht sofort die Türen eingerannt. Wie sollten sie auch, es wußte ja kaum einer etwas von mir. Und das ist zu Beginn einer Selbständigkeit völlig normal. Die Aufbauarbeit bleibt die gleiche, ob Vollzeit oder Teilzeit, Du brauchst Zeit um sichtbar zu werden.
So kam es, dass ich zu Beginn einfach nicht ausgelastet war. Eine liebe Freundin von mir hatte zu diesem Zeitpunkt die Chance auf eine Führungsposition in einem Konzern und fragte mich, ob ich nicht zu ihr in die Firma kommen wolle als ihre kaufmännische Assistenz. Und da ich vormittags ohnedies noch genug Zeit hatte, habe ich diesen Job angenommen. Komme ich doch ursprünglich aus diesem Bereich, so viel mir das auch sehr leicht.
Der Vorteil: Damit war der Druck draußen.
Der Nachteil: Damit war der Druck draußen.
Das was auf den ersten Blick echt entspannend erscheint, dass der Druck draußen ist, ist auf den genaueren Blick ein riesiger Nachteil. Denn Du bist nicht mehr voll dahinter. Es ist ja der Druck draußen.
Ich habe es nach außen kaum kommuniziert, dass ich diese Anstellung hatte. Ich war zwar froh drüber und habe das auch gerne gemacht, aber ich bin eben mit Leib und Seele selbständig. Meine Klientinnen und Klienten haben das meist nicht mitbekommen.
Die Vorteile einer Teilzeit-Selbständigkeit
- Der finanzielle Druck ist draußen: Du kannst entspannter Dein eigenes Business aufbauen, weil Du nicht gleichzeitig damit Deinen Unterhalt bestreiten musst.
- Du hüpfst nicht sofort ins kalte Wasser und hast eine Übergangsphase.
- Du bist nicht sofort auf Dich alleine gestellt, wenn Du eine Anstellung mit Kolleginnen und Kollegen hast - alleine zu arbeiten ist für viele eine große Herausforderung.
Die großen Nachteile einer Teilzeit-Selbständigkeit
Aus meiner Sicht entstehen aber bei so einem Start in die Selbständigkeit gerade in der Ernährungsberatung ein paar sehr gravierende Nachteile und diese bergen die Gefahr, dass man aus der Teilzeit-Situation nur mehr schwer herauskommt.
- Der Druck ist draußen und damit musst Du nicht mehr. Mir ist es so gegangen. Ist ja nicht so tragisch, wenn das heute nicht mehr passiert, ich verdiene ja in der Anstellung eh mein "Brot", das hier ist ja nur das "Körberlgeld".
- Der Faktor Zeit: Wenn Du die Hälfte Deiner Arbeitszeit in einer Anstellung verbringst, dann bleibt nur mehr die andere Hälfte übrig, um Dein eigenes Business aufzubauen. Und der Aufbau braucht Zeit und Energie.
- Der Faktor mehr Zeit: Soll der Aufbau Deines Businesses in einer halbwegs adäquaten Zeit passieren, dann musst Du wesentlich mehr davon investieren, als die Hälfte einer Normalarbeitszeit. Das bedeutet: kaum Freizeit, kaum Zeit für Familie und Freunde und daher kommt wohl die Ansicht: Selbst und Ständig!
- Die Gefahr des Ausbrennens: keine freie Zeit mehr, nur mehr Arbeiten, auch wenn Du es gerne machst und für die Sache brennst, die Du tust, die Gefahr dabei auszubrennen und ins Burnout zu schlittern ist sehr groß. Ein eigenes Unternehmen aufzubauen ist das Größte und Beste was ich mir vorstellen konnte, allerdings braucht es jede Menge Energie und Engagement.
- Der Fokus wird getrübt: Du tanzt ständig mit einem Bein auf zwei Kirtagen, Du bist also gedanklich mal bei Deiner Teilzeit-Selbständigkeit, mal in der Anstellung. Bei keiner Deiner Tätigkeiten kannst Du dann noch 100 % aufbringen. Irgendein Teil davon leidet immer, wenn oft auch nur phasenweise und häufig schafft man das schon, dass es keiner merkt. Aber der Fokus leidet massiv.
Teilzeit-Selbständig - oder soll ich besser sagen Teilzeit-Angestellte - war ich etwas mehr als ein Jahr. Denn dann wurde mir die Doppelbelastung einfach zu viel. Ich habe zwar für das Unternehmen später auch noch mal gearbeitet, allerdings dann immer auf Auftrag, denn alles andere wollte ich einfach nicht mehr.
Ich habe eine Flasche Sekt aufgemacht, als ich meinen letzten Tag als Angestellte hinter mich gebracht hatte 😉
Fazit: Geht Teilzeit-Selbständigkeit in der Ernährungsberatung?
Klar geht das, wenn Du das möchtest. Es kommt auf die Erwartungshaltung an, mit der Du an die Sache herangehst. Willst Du nur so nebenbei ein paar Beratungen machen, dann geht das schon.
Willst Du wirklich erfolgreich sein mit Deiner Ernährungsberatung, dann wird das so nicht funktionieren. Es braucht ein entsprechendes Mindset dazu, eine entsprechende Willenskraft und das Durchhaltevermögen. Hätte ich meine Anstellung nicht aufgegeben, wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt stehe.
Meine Erfahrung zeigt: Wenn es einen Plan B gibt, dann funktioniert Plan A nicht mehr. Gibt es keinen Plan B, dann muss Plan A einfach funktionieren. Du bist dann fokussierter, zielgerichteter und hast auch die dafür notwendige Zeit, die Energie und den Druck, dass die Vollzeit-Selbständigkeit in der Ernährungsberatung funktioniert.
Schreib mir doch!
Wie denkst Du über eine Teilzeit-Selbständigkeit in der Ernährungsberatung oder in anderen Gesundheitsberufen? Wußtest Du, was notwendig ist, um sich mit Ernährungsberatung selbständig zu machen? Schreib mir in einem E-Mail oder Kommentar Deine Erfahrungen damit!
[…] Den ganzen Artikel lesen… […]
Liebe Susanne,
vielen Dank für diesen wundervollen Beitrag zur Blogparade! Als Dipl. Lebensberaterin wusste ich, dass die Ernährungsberatung ein Spezialbereich unseres Gewerbes ist, allerdings auch nicht, dass es in Österreich dafür ein Studium braucht! Ich freue mich sehr, dass ich wieder etwas mehr über Dich erfahren durfte und finde es großartig, dass Du Dich ehrenamtlich als Berufsgruppensprecherin in der WK NÖ einsetzt. 💚
Herzliche Grüße
Beatrice