26. Januar 2022

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Das Bauchhirn, das Hirn in unserem Bauch

By Susanne Lindenthal

Januar 26, 2022

Immunsystem, Verdauung

Wie komplex die Verdauung eigentlich ist, das erkennt man erst, wenn man sich mit unserem Hirn im Bauch, mit dem Bauchhirn, etwas näher auseinandersetzt.

Was ist das Bauchhirn genau? Steht es in Verbindung mit unserem Kopf und wenn ja, wie kommuniziert es mit dem Kopfhirn? Was sind seine Funktionen und weshalb brauchen wir so ein komplexes Gebilde im Bauch überhaupt? Diese und einige andere Fragen werde ich in diesem Artikel beantworten.

Die Forschung zum Bauchhirn

Als ich diesen Artikel im Dezember 2017 veröffentlicht habe, schien die Forschung rund um den Darm und das Bauchhirn noch am Anfang zu stehen, zumindest in der breiten Öffentlichkeit. Mittlerweile ist der Darm, das Bauchhirn und auch das Mikrobiom in aller Munde. 

Der Darm wird salonfähig 

Die Gastroenterologin Giulia Enders, hat mit dem Buch "Darm mit Charme" ein paar Jahre zuvor den Darm und alles drum herum erst salonfähig gemacht und seit dem scheint es, dass der Darm und dessen Funktionen einen neuen Aufwind in der Forschung bekommen hat. Geforscht wird allerdings schon wesentlich länger, auch wenn davon in der breiten Öffentlichkeit wenig bemerkt wurde. 

Die Neurogastroenterologie entsteht

Dass wir im Darm eine Vielzahl an Nervengeflechten haben, das wissen wir bereits seit dem 19. Jahrhundert. Allerdings glaubte man damals, dass diese Nerven nur die Peristaltik, also die Darmbewegungen steuern. Und mit dieser Erklärung war man auch über eine sehr lange Zeit zufrieden. Erst seit gut 30 Jahren gibt es das Forschungsgebiet der Neurogastroenterologie. 

Wobei die Gastroenterologie sich als Teilgebiet der inneren Medizin auf den Magen-Darm-Trakt stürzt, befasst sich die Neurogastroenterologie nochmal spezialisiert mit den Nerven, die sich im gesamten Verdauungstrakt tummeln. 

Wie in vielen Bereichen der Wissenschaft stellt sich die Forschung dabei oftmals die Frage, was ist denn nun das wichtigere Nervensystem. Das was wir im Kopf haben und hinlänglich als Gehirn bekannt ist, oder das, was wir im Bauch haben und was mittlerweile als Bauchhirn schon relativ gute Bekanntheit erreicht hat. Und welches davon hat jetzt wirklich das sagen? Ist da was dran, auf sein Bauchgefühl zu hören? Steckt da vielleicht auch das Bauchhirn dahinter?

Also die immerwährende Frage, was war zuerst, das Huhn oder das Ei?

Was war zuerst? Bauchhirn oder Kopfhirn?

Diese Frage kann vielleicht ein Blick in die Entwicklung eines Embryos klären. Ganz zu Beginn einer Schwangerschaft, nachdem sich die ersten Zellen geteilt haben, noch lange bevor sich die einzelnen Organe bilden, entstehen drei Keimblätter. Das Endoderm, das Mesoderm und das Ektoderm. Aus diesen Keimblättern entwickeln sich mit der Zeit die einzelnen Organe und Organsysteme des neuen Menschen. 

Das erste Keimblatt, das Endoderm, bildet allerdings zuerst die Grundlage für die Entstehung des Verdauungssystems und der Lungen. Essen und Atmen muss also gesichert sein, wenn der Mensch überleben möchte. 

Das Nervensystem, aus dem sich dann in weiterer Folge auch das Gehirn bildet, das entsteht erst aus dem dritten Keimblatt, dem Ektoderm. 

Ich für meinen Teil finde das sehr spannend, dass das Bauchhirn vor dem Kopfhirn entsteht. 

Was ist das Bauchhirn? Was genau steckt dahinter?

Mit dem Terminus Bauchhirn bezeichnet man das Nervengeflecht, welches im gesamten Bauchbereich völlig autark die Verdauung steuert. Wie wir auch bereits wissen, wird das Darmrohr auch als erstes gebildet. Denn der gesamte Kosmos ist auf Überleben ausgerichtet. Das heißt, Nahrung suchen, fressen und verdauen und die Reste wieder ausscheiden.

Neben der Fortpflanzung ist das der ursprünglichste Zweck des Daseins von Lebewesen auf der Erde. Es ist also nicht verwunderlich, dass diese Funktionen zu allererst gesteuert werden müssen. Werden die Funktionen dann komplexer, braucht man noch zusätzlich einen Kopf zum Steuern.

Giulia Enders meint in ihrem Buch: der Darm sei so charmant, denn er koordiniert alles im Hintergrund, ohne den Rest des Körpers und ohne das Gehirn damit zu belasten.

Stell Dir mal vor, Du müsstest Deine Verdauung bewusst steuern? Ich denke, da bekämen dann Verdauungsstörungen nochmal eine ganz andere Bedeutung. 

Eine unwahrscheinlich große Anzahl an Nervenzellen

Heute wissen wir, dass das Enterische Nervensystem - so der wissenschaftliche Name für unser Bauchhirn - über 400 bis 600 Millionen Nervenzellen umfasst. Das sind ähnliche viele Neuronen wie in unserem Rückenmark. 

Dieses Nervensystem arbeitet nicht nur völlig autark, sondern erfüllt selbstständig eine Vielzahl an Aufgaben. Unsere Verdauung läuft so ohne eine bewußte Steuerung unseres Gehirns ab. 

Dabei produziert unser Bauchhirn völlig selbstständig die gleichen Botenstoffe, die auch unser Gehirn produziert. Diese Botenstoffe sind einerseits für die Signalweiterleitung verschiedenster Informationen ans Gehirn notwendig und andererseits werden dadurch auch Sinneswahrnehmungen gesteuert. 

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Die Funktionen unseres Bauchhirns

Die Verdauung

Durch das Nervengeflecht im Darm werden natürlich Verdauungsvorgänge gesteuert. Die Darmperistaltik, also die Darmbewegungen, ist dabei nur eine der vielen Funktionen, die von den Nervenzellen reguliert werden. Das Bauchhirn reagiert sowohl auf mechanische Reize als auch auf chemische Reize. Mechanische Reize sind zum Beispiel Dehnungsreize, die entstehen, wenn der Nahrungsbrei den Magen-Darm-Trakt füllt und dabei dehnt.

Die Nährstoffaufnahme

Daneben lösen beispielsweise bestimmte Nährstoffe chemische Reize aus, die wiederum dazu führen, dass die passenden Enzyme für die Verdauung zur Verfügung gestellt werden. Dabei werden Hormone ausgeschüttet, die Aufnahme von Nährstoffen und Wasser gesteuert aber auch Transmittersubstanzen freigesetzt.

Die Signalweiterleitung

Transmittersubstanzen sind Signalstoffe, die Meldung ans Gehirn machen und somit unserer Schaltzentrale im Kopf vermelden, welche Nährstoffe gerade in den Körper gelangen. 

Das Immunsystem

Eine weitere wichtige Funktion, an der das Bauchhirn maßgeblich beteiligt ist, ist das Immunsystem. 80 % unserer Immunabwehr befindet sich im Darm. Und auch hier regeln Nervenzellen die Feinabstimmung und auch die Meldung ans Gehirn. 

Warum nicht alles übers Gehirn steuern?

Das enterische Nervensystem ist ein wahnsinnig komplexes Gebilde, wobei viele Nervenzellen gegenseitig verknüpft und verschaltet sind. Dadurch können sie eine Vielzahl an sensorischen Einheiten bilden, die alle völlig unabhängig vom zentralen Nervensystem auf die unterschiedlichsten Reize reagieren können. Das sind sowohl mechanische, elektrische als auch chemische Reize. 

Die komplexen Prozesse der Verdauung und die damit verbundenen Informationsmengen, erfordern oft rasche Entscheidungen. In unserem Darm kommen unzählige Substanzen völlig ungefiltert aus der Außenwelt an, die alle geprüft werden müssen, ob sie in unseren Körper eingelassen werden dürfen. Das erklärt vielleicht auch, warum der gesamte Verdauungsprozess nicht vom Gehirn aus gesteuert werden kann. Daher haben wir ein eigenes Gehirn im Darm, das Bauchhirn, welches diese Funktionen direkt vor Ort übernimmt. Und anschließend wird noch Meldung an die Schaltzentrale gemacht. 

Die Kommunikation zwischen Bauch und Hirn 

Innerhalb des Bauchhirns erfolgt die Kommunikation auf ähnliche Weise wie im Gehirn. Dabei gibt es elektrische Signale über synaptische Verbindungen aber auch chemische Signale über Botenstoffe. 

Die Kommunikation zu unserem Kopfhirn erfolgt über zwei Dir vielleicht schon bekannte Nervenstränge: Sympathikus und Parasympathikus. Spannend dabei ist, dass 90 % der Informationen vom Bauhirn zum Kopfhirn erfolgen und nur 10 % in umgekehrte Richtung. Das lässt vielleicht die Schlussfolgerung zu, dass das Bauchhirn das Sagen hat. 

Man spricht übrigens von der Darm-Hirn-Achse, wenn die Kommunikation vom Darm zum Hirn erfolgt und von der Hirn-Darm-Achse, wenn die Kommunikation in die andere Richtung erfolgt. 

Unter diesem Aspekt bekommt alles, was wir unter dem Motto "ich entscheide mal aus dem Bauch heraus" tun, ein ganz andere Perspektive, findest Du nicht?

Vielleicht ist es doch manchmal besser auf sein Bauchgefühl zu vertrauen, als auf den analytisch arbeitenden Verstand eine Etage höher. Denn unser Bauchhirn hat dafür gesorgt, dass die Menschheit bis heute überlebt hat.

Weitere spannende Artikel zum Thema Ernährung und Verdauung findest Du übrigens auf der gleichnamigen Übersichtsseite.  

Schreib mir doch!


Wie geht es Dir mit dem Gedanken, dass unser Bauch ein Gehirn hat? Hast Du Dich schon mal mit dem Bauchhirn befasst?  Schreib mir in einem E-Mail oder Kommentar Deine Meinung!

Zusammenfassung für Schnell-Leser 😉 
Lesezeit 1 Minute

Geforscht wird schon sehr lange am Enterischen Nervensystem, so der wissenschaftliche Name zum Bauchhirn. Das Gebiet der Neurogastroenterologie gibt es allerdings erst seit gut 30 Jahren. Dafür ist es heute umso populärer. 

Wusstest Du, dass unser Bauchhirn in etwa genauso viele Nervenzellen umfasst, wie unser Rückenmark und dass dieses Nervensystem unsere Verdauung fast völlig autark steuert? Und das ist auch gut so, denn unser Gehirn wäre wahrscheinlich mit der Vielzahl an Informationen und Reizen, die in unserem Darm ankommen, schlichtweg überfordert. Denn oft sind sofortige Entscheidungen vor Ort gefragt, ob eine Substanz unseren Körper betreten darf oder nicht und das macht alles unser Bauchhirn. Daneben ist es auch noch an unserem Immunsystem maßgeblich beteiligt, von dem ja bekanntlich ca. 80 % im Darm sitzt. 

Die reden auch miteinander, Hirn und Darm!

Spannend ist, dass ca. 90 % des Informationsflusses vom Darm zum Gehirn erfolgt und nur 10 % in umgekehrter Reihenfolge. Das ist neben den komplexen Verdauungsprozessen vielleicht auch dem geschuldet, dass das Darmrohr vor dem Gehirn entsteht, wenn man die Entwicklung eines kleinen Menschen mal genauer betrachtet. Essen und damit die Verdauung und Atmen waren schon immer für das Überleben der Menschheit zentrale Angelpunkte. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Funktionen vor dem Denken zur Verfügung stehen. Du willst genaueres wissen? Dann lies doch den kompletten Artikel! 

Susanne Lindenthal

ÜBER DIE AUTORIN

Mein Name ist Susanne Lindenthal und ich bin Deine Expertin in Sachen Verdauung. In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Zum einen bin ich mit Leib und Seele Ernährungswissenschafterin, zum anderen bin ich der Traditionellen Chinesischen Medizin verfallen. In meinen Beratungen verbinde ich diese scheinbar konträren Welten und verhelfe Dir damit zu einem besseren Bauchgefühl.

  • Liebe Susanne, danke für diesen informativen Artikel. Ich habe mich für ein Kundenprojekt erst kürzlich auch mit dem Thema beschäftigt und werde deinen Artikel als Recherchequelle gleich abspeichern!

    Alles Liebe
    Margit

  • Habe Histaminintoleranz aber ich ernähre mich histaminarm.

    Leider habe ich seit Wochen stuhlprobleme nur kleine Mengen und diese sind breiig obwohl ich normal esse. Habe auch immer einen stuhldrang. Im Dez.2018 machte ich eine Darmspiegelung Befund alles in Ordnung. Wieso habe ich eine zu geringe breiige Stuhlmenge. War schon bei vielen Ärzten wegen meiner Beschwerden (Unterbauchkrämpfe, stuhldrang und wie gesagt nur kleine Mengen breiigen Stuhl trotz normaler Ernährung. Keiner kann mir leider helfen. Habe vor 2 Wochen eine Bauvhdpiegelung gehabt und es wurden Vetwachsungen gelöst. Trotzdem keine Besserung
    Liebe Grüße
    Brigitte

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