10. Juni 2020

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Artischocke, eine Distel zum Essen

By Susanne Lindenthal

Juni 10, 2020

Immunstärkung

​Ein kleiner Rückblick in die Vergangenheit der Artischocke

​Die Artischocke galt in mitteleuropäischen Fürstenhäusern im 15. Jahrhunderts als ein Zeichen für eine gehobene Lebensart und als Sinnbild für Reichtum. Man schrieb der Artischocke eine aphrodisierende Wirkung zu, weshalb sie für die Töchter des Hauses verboten waren. Außerdem war man der Ansicht, dass jene Eheleute, welche sie „fleißig verwendeten“, in der Lage waren Knaben zu zeugen. Wie man sieht, ranken sich jede Menge Legenden und Geschichten um die Blütenköpfe dieser nordafrikanischen Distelart.

„Diese Distel, lass sie gelten,
ich vermag sie nicht zu schelten – die,
was uns am besten schmeckt,
in dem Busen tief versteckt.“

So ​poetisch hat Goethe im 19. Jahrhundert über die Artischocke geschrieben und auch heute noch scheint sie zu jenen Gemüsesorten zu gehören, die eher weniger auf unseren heimischen Tellern landet.

Botanisch gesehen

Die Artischocke [Cynara cardunculus, Syn. Cynara scolymus] gehört zur Familie der Korbblütler [Asteraceae]. Sie ist auch unter den Namen Kugelartischocke, Erddorn, Erdschocken und Erddistel bekannt. ​Obwohl sie eine mehrjährige Pflanze ist, wird ​die Kulturform meist zweijährig angebaut. ​Ihre Wuchshöhe beträgt bis zu zwei Metern. Bei uns werden allerdings eher niedrigere Zuchtformen angebaut.

Die Erntezeit ist Juni bis September, manchmal bekommt man sie aber auch noch im Oktober auf den Markt. Geerntet werden die körbchenförmigen Blütenstände. Bei den kultivierten Arten sind die Blütenstände größer, die Hüllblätter kaum noch dornig, unten sehr fleischig und der Blütenstandboden wesentlich fleischiger als bei wildwachsenden Formen. Artischocken bilden wunderschöne violette Röhrenblüten aus.​

20200609-Artischocke-Blüte

​​Die inneren​​​​ Werte

Ein paar chemische Substanzen

Artischocken sind reich an Bitterstoffen und zwar genauer an sogenannten Sesquiterpenlactonen. Das ist eine sehr spannende Substanzklasse. Diese Stoffgruppe dient der Pflanze als Fraßschutz gegen Fressfeinde, ist aber für medizinische Zwecke interessant, weil ihr eine entzündungshemmende, antitumorale, migränehemmende und antimikrobielle Eigenschaft nachgesagt wird. ​ 

Daneben enthält die Artischocke Schleimstoffen, Gerbstoffen, Flavonoiden und Cynarin​. Cynarin ist ebenfalls ein Bitterstoff, der den Stoffwechsel von Leber und Gallenblase anregt und antioxidativ wirkt.

Die Vitamine in der Distel

Außerdem sind sie reich an Carotin, Folsäure, Vitamin C und Vitamin E. Artischocken haben daher eine appetitanregende, magenstärkende und verdauungsfördernde Wirkung. Neben Leber und Gallenblase regen sie auch die Enzymproduktion in der Bauchspeicheldrüse an. Einen besonderen Effekt sollen Artischocken auf den Cholesterinstoffwechsel haben. Der regelmäßige Genuss dieses Gemüses soll die Cholesterinausscheidung fördern und auch die Neubildung von Cholesterin in den Leberzellen vermindern.

Übersetzt heißt das, dass uns Artischocken bei der Regulierung und Senkung der Blutfettwerte helfen können. Hast Du daher Probleme mit Deinen Blutfettwerten, kannst Du mit Hilfe der Artischocken unterstützend mithelfen, die Cholesterinwerte zu normalisieren. Auch präventiv können Artischocken ihren Beitrag leisten und damit Erkrankungen wie ​Arteriosklerose und Hypercholesterinämie ​vorbeugend entgegenwirken.

20200609-Artischocke-geschlossen-am-Feld

Und ein Ballaststoff, der manchmal Probleme macht

Neben der positiven Wirkung auf den Fettstoffwechsel hat die Artischocke auch eine positive Wirkung auf den Blutzuckerspiegel, was auf den hohen Inulingehalt zurückzuführen ist. Dieser Inunlingehalt kann sich allerdings auch verhehrend auswirken, wenn Du diesen Kohlenhydratbaustein nicht verträgst.

Inulin ist ein sogenannter löslicher Ballaststoffe, der aus Fruktoseeinheiten aufgebaut ist. Uns fehlen in unserem Verdauungstrakt die Enzyme, um Inulin aufzuspalten. Das macht aber grundsätzlich nichts, denn dazu haben wir unsere Bifidobakterien im Darm, die in der Lage sind, Inulin zu zerlegen. Dadurch werden diese Bakterien gefüttert und Inulin stellt somit für uns ein Präbiotikum dar. Also Futter für unsere guten Darmbakterien. Hast Du zu wenig davon im Darm oder reagierst Du auf diese Bausteine, kann das zu Blähungen und Durchfall ​führen. Oft werden kleine Mengen noch gut vertragen, wenn die Menge an Inulin im Darm aber überhand nicht, dann gibt es ein Fest der Bakterien - das kennst Du ja schon aus meinem Fruktose-Artikel und aus meinem Lactose-Artikel

Die Wirkung der Artischocke, zusammengefasst

Durch ihre Inhaltsstoffe wirkt ​die Artischocke also ​antioxidativ, leberschützend, leberstärkend, appetitanregend, magenstärkend, verdauungsfördernd und entgiftend. Vorsicht ist geboten bei einer Allergie gegen Korbblütler.

Was sagt die TCM dazu?

In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird die Artischocke aufgrund des bitteren Geschmacks dem Feuerelement zugeordnet und ist thermisch kühl. Sie hat einen ​Funktionskreisbezug zu Leber, Gallenblase, Herz, Blase und Magen. ​Die Artischocke ist in der Lage Hitze zu ​auszuleiten und zu eliminieren. Ganz besonders gut wirkt sie bei ​toxischen Zuständen, denn sie ist in der Lage Toxine auszuleiten und Nässe zu trocknen. Sie fördert die Diurese, also die Urinausscheidung, und ​stärkt vor allem das Leber-Yin.

​Eine der therapeutischen Anwendungen in der TCM ​ist das Bi-Syndrom.​ Darunter fallen viele Erkrankungen die wir mit unserem westlichen Verständnis zu Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zählen. Sie kann also bei Gicht, Arthritis und Gelenksentzündungen ​positiv wirken. Auch die chinesische Medizin kennt den Einsatz bei erhöhten Blutfettwerten, Problemen mit der Gallenblase und erhöhten Blutzuckerwerten. Weiters reguliert die Artischocke Qi-Stagnationen in Leber und Magen und wirkt positiv bei Verdauungsblockaden, Übelkeit und Blähungen.

​Was kannst Du mit Artischocken alles machen?

Die typische Zubereitung von Artischocken

​In der Küche ist die frische Artischocke oft nur in der gehobenen Gastronomie zu finden, da die Zubereitung so manchen abschreckt. Das typische Artischockenessen, man zupft die Blätter von der gekochten bzw. gegarten Artischocke, taucht sie in eine Sauce und lutscht das untere fleischige Ende ab, klingt nicht unbedingt nach einem satt machenden Essen. Die Zubereitung, bis man sie wirklich essen kann, wird in den meisten Kochbüchern als sehr aufwendig beschrieben. Da stellt sich natürlich die Frage, ob sich der ganze Aufwand für ein bisschen „abzuzeln“ von ein paar Blättern überhaupt lohnt?

20200609-Artischocke-am-Teller-mit-Zitrone

Für so ein typisches Artischockenessen werden große, bis zu 500 g schwere Artischocken verwendet und die Zubereitung ist gar nicht so aufwendig. Die heute erhältlichen Kulturformen haben kaum dornige Blätter, daher ist ein Schälen der äußeren Blätter oft nicht notwendig. Essbar sind die unteren fleischigen Teile der Blütenblätter und der fleischige Blütenstandboden. Das auf dem Boden befindliche Heu ist nicht genießbar.

​Weitere Zubereitungsformen

Tobias Müller hat im Standard vor Jahren einen amüsanten und zugleich informativen Artikel veröffentlicht, wie man eine Artischocke erobert. Die geschmorte Artischocke wollte ich ​vor Jahren schon mal machen und bin bis heute nicht dazu gekommen. Ich denke, das wird jetzt höchste Zeit.

​Ich verwende viel ​lieber etwas kleinere, jüngere Artischocken. ​Diese können diese im Ganzen gebraten, gegart oder auch frittiert werden. Als kulinarische Delikatesse gelten die Artischockenherzen. Diese werden auch als Konserve eingelegt angeboten und finden sich oftmals in italienischen Antipasti wieder. Es gibt eingelegte Artischocken in Öl, da wird meist Sonnenblumenöl verwendet, und es gibt sie auch eingelegt in Salzlake. Da musst Du eventuell etwas suchen. Ich suche die auch regelmäßig, denn meist stehen von fünf verschiedenen Anbietern die mit Öl im Regal. Und vielleicht ein oder zwei Anbieter haben sie in Salzlake. Mir ist diese Variante aus ​drei Gründen lieber: 

  1. haben sie weniger Kalorien
  2. schmecken sie feiner, ich meine, sie sind nicht in Öl ertränkt, ich finde, das nimmt ihnen viel vom feinen Geschmack, und
  3. kannst Du viel mehr damit anfangen.

Ich mag Artischocken sehr gerne auf der Pizza, sie verleihen ihr einfach etwas edles und dafür kannst Du wunderbar die eingelegten verwenden. Außerdem mag ich sie sehr gerne in meinem Artischockenrisotto. Da verwende ich zwar lieber die frischen, aber die eingelegten gehen auch.

20200609-Artischockenrisotto

​Die Lagerung von Artischocken, wenn Du sie bekommst

Artischocken welken sehr schnell und sollten möglichst frisch verbraucht werden. Daher solltest Du sie erst unmittelbar vor der Zubereitung besorgen. Leider ist das mit dem Artischocken-Besorgen so eine Sache. Ich wohne ja relativ zentral und auch noch in Wien-Nähe. Da möchte man meinen, dass man gerade im Juni, wenn Artischocken Saison haben, diese doch auch in Supermärkten oder auf Märkten erhältlich sind. Allerdings ist dem leider nicht immer so. Als ich diesen Artikel das erste Mal veröffentlicht habe, das war ziemlich genau vor fünf Jahren, habe ich Babyartischocken ab Mitte Mai und den ganzen Juni über bekommen. Momentan ist es schwierig. Ich habe in den letzten zwei Wochen täglich im Supermarkt geschaut und leider nichts bekommen. ​Daher ist es immer gut ​ein oder zwei Gläser der eingelegten Artischockenherzen zuhause zu haben.

​Wenn Du aber frische Artischocken bekommst, dann koche sie Dir gleich, sie sind wirklich ein wahrer Genuss. Die Schnittflächen ​solltest Du sofort mit Zitronen einreiben, ​da diese an der Luft oxidieren und damit schnell braun werden.

Verwendung außerhalb des Kochtopfes

Neben der Verwendung als Gemüse werden Artischockenblätter als Tee verwendet. Auch das Kochwasser ​kannst Du wie einen Tee trinken. ​In der Pharmazie ​kommt außer​ den Blättern der Pflanze ​auch die Wurzel zum Einsatz. Passend zur Urlaubszeit noch ein Tipp zum Abschluss: ​Wenn Du in eines der südlichen Länder wie Spanien ​oder Italien ​kommst (sollten wir da heuer überhaupt hindürfen), dann halte mal ​Ausschau ​nach Likörweinen und Magenbittern mit den Namen Cynara. Ich habe da übrigens bei meinen Recherchen einen sehr interessant klingenden Artischocken-Grappa zum selbst ansetzen gefunden ;-). 

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Susanne Lindenthal

ÜBER DIE AUTORIN

Mein Name ist Susanne Lindenthal und ich bin Deine Expertin in Sachen Verdauung. In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Zum einen bin ich mit Leib und Seele Ernährungswissenschafterin, zum anderen bin ich der Traditionellen Chinesischen Medizin verfallen. In meinen Beratungen verbinde ich diese scheinbar konträren Welten und verhelfe Dir damit zu einem besseren Bauchgefühl.

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