11. Juni 2018

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Gerstenmalz, Gott erhalt’s – Gerste, ein Lebensmittelsteckbrief

By Susanne Lindenthal

Juni 11, 2018

Kohlenhydratlieferanten

Was wäre die Braukunst ohne die Gerste? Und dabei würde sich fast jedes Getreide zum Mälzen eignen, die Gerste hat sich da eindeutig durchgesetzt.

Wozu braucht man beim Bierbrauen überhaupt Getreide?

Das Malz bestimmt, wie die Farbe, der Geschmack und die Kraft des Gebräues sich verhält. Wenn Du mehr zum Thema Bierbrauen wissen möchtest, kannst Du Dich auf der Seite des Bierland Österreich schlau machen, denn hier geht’s um die Gerste selbst. Das Getreide ist nämlich ein kleines Superfood und kann nicht nur zur Biererzeugung verwendet werden.

Für die Biererzeugung kommt in erster Linie die Braugerste zum Einsatz. Dafür wird vorwiegend die weniger ertragreiche Sommergerste genutzt. Wintergerste, die ertragreicher und eiweißreicher ist, wird vorwiegend zu Tierfutter verarbeitet. Wird die Sommergerste nicht gemälzt, dann wird sie zu Graupen verarbeitet oder auch zu Mehl gemahlen.

Gerste am Feld

Botanisch gesehen

Die Gerste [Hordeum vulgare] stammt aus der Familie der Süßgräser [Poaceae] und zählt zum Tribus Triticeae. Damit ist sie mit unseren anderen wichtigen Getreidesorten Weizen und Roggen nahe verwandt. Die Gerste erkennt man an den langen Grannen, das sind diese borstenförmigen Fortsätze an den Spelzen des Getreidekorns, welches botanisch auch Karyopse genannt wird. Die Grannen können bei der Gerste zwischen 8 und 15 cm lang werden.

Karyopsen sind die einsamigen Schließfrüchte der Süßgräser. Die Frucht schaut nussähnlich aus und wirkt wie ein Same, ist aber eine Frucht.

Bei den Ähren der Gerste wird zwischen zweizeiligen und mehrzeiligen Sorten unterschieden. Die Sommergerste ist meist eine zweizeilige Sorte, das heißt, dass sich pro Ansatzstelle nur ein kräftiges Korn entwickelt, welches besonders viel Stärke und weniger Eiweiß hat. Das macht sie zum perfekten Kandidaten für die Bierherstellung.

Wintergersten sind oft mehrzeilige Sorten, d.h. an einer Ansatzstelle wachsen drei Körner, die aber weniger stark entwickelt sind.

Gerste zweizeilige Ähre

Bei der Gerste sind die Körner fest mit den Spelzen verwachsen, bis auf die Nacktgerste, die hier eine Ausnahme bildet. Gerstenkörner müssen daher vor der Zubereitung entspelzt werden. Das geschieht heute in Schälmühlen.

Werden die jungen Blätter der Gerstenpflanze geerntet, spricht man von Gerstengras, welches häufig bei der Tiermast eingesetzt wird. Da Gerstengras – wie viele junge Pflanzen – einen hohen Gehalt an Mineralstoffen hat, wird es heute auch für Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt und als Superfood gehandelt.

Gerstengras selber ziehen

Man braucht Gerstengras aber nicht teuer zu kaufen, denn es lässt sich ganz leicht selber zuhause ziehen. Einfach ein paar keimfähige Gerstenkörner ankeimen lassen (am besten in Keimschalen, wie Du sie in meinem Kichererbsen-Artikel sehen kannst) und anschließend in einen Topf mit Erde geben und – mit etwas Geduld – hat man nach ca. 10 bis 14 Tagen Gerstengras zum frisch ernten.

Dieses kann man frisch in grüne Smoothies geben oder trocknen und fein vermahlen. Das so gewonnene Gerstengraspulver hält lange und lässt sich genauso verwenden, wie gekauftes.

Die inneren Werte

Neben Stärke und Protein enthält so ein Gerstenkorn aber auch noch Ballaststoffe. Dabei sind besonders die β-Glucane hervorzuheben. Das sind lösliche Ballaststoffe, die erst in den unteren Darmabschnitten von Bakterien abgebaut werden und diesen als Energiesubstrat dienen.

Anders als bei anderen Getreidesorten sind die β-Glucane nicht in den Randschichten des Korns, sondern konzentriert im Inneren zu finden. Daher gehen sie auch durch den Vorgang des Entspelzens nicht verloren. β-Glucane sind in der Lage den Cholesterinspiegel zu regulieren und den Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit weniger stark ansteigen zu lassen.

β-Glucane können aber auch Probleme machen, wenn jemand einen sensiblen Darm, an starken Blähungen leidet oder sogar einen Reizdarm diagnostiziert hat. Da sie aber durchaus wichtig für den Körper sind, diese Kohlenhydratbausteine und eben auch zahlreiche nachgewiesene positive Wirkungen auf den Körper haben, sollte sie nicht einfach weggelassen werden.

Mit Hilfe einer gezielten Ernährungsberatung kann die verträgliche Dosis festgestellt werden, die gerade noch keine Probleme im Darm macht, aber durchaus noch positive Wirkungen mit sich bringt.

Was steckt noch in diesem kleinen Gerstenkorn?

Gerste ist reich an Kalium, Magnesium, Eisen, Zink und Phosphor. An Vitaminen sind besonders die B-Vitamine hervorzuheben. Gerste enthält nennenswerte Mengen an Thiamin (B1), Riboflavin (B2), Nicotinsäure (B3), Pantothensäure (B5) und Vitamin B6.

Daneben enthält sie auch ein Klebereiweiß (Gluten) mit dem Namen Hordein, weshalb sie bei Zöliakie gemieden werden muss. Hordein ist wie das Gliadin im Weizen ein Speicherprotein und fällt damit auch unter den Überbegriff Gluten.

Was sagt die TCM zur Gerste?

In der TCM zählt die Gerste zu den kühlenden Getreidesorten und durch ihren Organbezug zu Milz, Magen und Darm wird sie dem Element Erde zugeordnet.

Durch ihren süßen und leicht salzigen Geschmack vermehrt sie das Qi, löst Verdauungsblockaden und Verstopfung, befeuchtet die Haut und hat eine harntreibende Wirkung, weshalb sie gerne zum Ausleiten von Wassereinlagerungen eingesetzt wird.

Außerdem kann sie bei vermindertem Appetit, Völlegefühl, erschwertes Urinieren, einer Reizblase, Unruhegefühle und Mundtrockenheit durch Hitze eingesetzt werden. Gerste wirkt außerdem unterstützend bei chronischer Magenschleimhautentzündung und Hitze im Magen. Also ein echtes Cool-Down-Getreide.

Verwendung

In der Küche kennt man die Gerste eher aus traditionellen Gerichten wie dem Südtiroler Gersteneintopf, der Graupensuppe, als Müsli, aber auch im Gemüseeintopf als kohlenhydratreiche Einlage. Im Grunde sind hier Deiner Fantasie keine Grenzen gesetzt. Du kannst Gerste bzw. die Gerstengraupen überall dort einsetzen, wo Du sonst Reis verwendest.

Versuch mal ein Risotto statt mit Reis mit Gerstengraupen zu kochen, dann erhältst Du ein Gerstotto. Das bereichert die Küche ungemein und bringt etwas Abwechslung in den Kochalltag. Zudem kannst Du gerade jetzt im Sommer die kühlende Wirkung dieses tollen Getreides nützen und den Körper bei Sommerhitze von innen schonend und sanft kühlen ohne die Verdauungskraft und die Mitte zu belasten.

Susanne Lindenthal

ÜBER DIE AUTORIN

Mein Name ist Susanne Lindenthal und ich bin Deine Expertin in Sachen Verdauung. In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Zum einen bin ich mit Leib und Seele Ernährungswissenschafterin, zum anderen bin ich der Traditionellen Chinesischen Medizin verfallen. In meinen Beratungen verbinde ich diese scheinbar konträren Welten und verhelfe Dir damit zu einem besseren Bauchgefühl.

  • Super Susanne, auf die Idee, Gerstengras selbst zu ziehen, kam ich bisher noch nicht. Aber es ist auch in der Schwangerschaft eine wertvolle Nährstoffquelle! Das probiere ich gleich aus. Danke 🙂

    • Liebe Julia, gerne. Du brauchst wie gesagt nur ein paar keimfähige Gerstenkörner. Das sollte im Bioladen kein Problem sein oder eventuell bei einem Bäcker, der noch mit echtem vollwertigen Getreide arbeitet und nicht mit Fertigmischungen. Vielleicht hast Du so jemanden in der Nähe 🙂 Freue mich über Fotos, ich hab grad keine aktuellen und könnte sie dann auch gerne hier in dem Beitrag veröffentlichen, wenn Du sie mir zur Verfügung stellst. LG Susanne

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