Low carb, ein Trend, der (leider) funktioniert!
Low carb ist wohl momentan der gängigste und am weitesten verbreitete Trend in Sachen Diäten und Abnehmen. Leider funktioniert der Trend an sich, denn immer wieder fallen Abnehmwillige darauf herein. Und ich behaupte ja immer wieder: low carb kann nicht funktionieren!
Wenn Du mich schon länger kennst, dann weißt Du ja, dass ich Kohlenhydrate immer wieder verteidige. Ihren schlechten Ruf haben sie von Verfechtern und Ernährungsgurus der low-carb-Riege bekommen. Ich möchte in diesem Artikel die Kohlenhydrate wieder ein Stück weit rehabilitieren.
Und daher springe ich wieder einmal für die Kohlenhydrate in die Presche. Ich werde leider auch immer wieder in der Ernährungsberatungspraxis damit konfrontiert. Wenn Du mehr zu Kohlenhydraten und ein paar Grundlagen zum Zucker wissen möchtest, dann schau Dir 4 Fakten, die Du über Kohlenhydrate wissen solltest, an. Darauf gehe ich heute nicht genauer ein.
Was sagen Low carb Anhänger
Ein sehr lustiges (wenn es nicht so traurig wäre) Argument pro low carb habe ich erst kürzlich gehört:
"Low carb sei deshalb die richtige Ernährungsform für uns, weil unser Körper ja auch kaum Kohlenhydrate hat. Wir bestehen nämlich aus Wasser, Eiweiß und Fett und noch ein paar Mineralstoffen. Kohlenhydrate kommen im Körper nur in sehr kleinen Mengen vor, weshalb alleine schon unsere Körperzusammensetzung beweist, dass wir mit Kohlenhydraten nicht wirklich etwas anfangen können."
Die Argumentationskette dahinter mag sich für einen Laien logisch anhören, ist wissenschaftlich gesehen aber völlig falsch. Wenn dem so wäre, dann würden wir Vitamine und Spurenelemente wohl auch nicht brauchen. Denn die sind in noch geringeren Mengen im Körper gespeichert.
Wieviel Kohlenhydrate haben wir im Körper?
Ja, es ist korrekt, unser Körper setzt sich wie folgt zusammen [Quelle: Elmadfa 2004]:
- Proteine (Eiweiß), ca. 17 % des Körpergewichtes
- Fett, ca. 16 % des Körpergewichtes
- Wasser, ca. 60 % des Körpergewichtes (als Kind mehr, je älter wir werden wird das weniger)
- Kohlenhydrate, in Form von Glykogen, ca. 1 % des Körpergewichtes
- Mineralstoffe und Rest, ca. 6 % des Körpergewichtes
Nur weil unser Körper nicht in der Lage ist, Kohlenhydrate in großen Mengen zu speichern, heißt das nicht, dass wir mit Kohlenhydraten nichts anfangen können! Oder gar, dass wir Kohlenhydrate nicht brauchen!
Was ist Glykogen?
Kohlenhydrate werden in einer bestimmten Form im Körper gespeichert. Diese Speicherform heißt Glykogen und ist nichts anderes als ein etwas größeres Molekül, welches aus Glukosemolekülen aufgebaut ist. Also vergleichbar mit der Stärke im Getreide oder im Kartoffel. Viele Glukosemoleküle bilden ein großes Molekül namens Glykogen.
Glykogen wird zu einem Teil in der Leber gespeichert und zu einem anderen Teil in den Muskelzellen und ist sozusagen unser Notfall-Energievorrat.
Kohlenhydrate sind pure Energie!
Vielleicht hast Du die Geschichte vom Säbelzahntiger schon gelesen?
Wenn wir plötzlich viel Energie brauchen, weil wir beispielsweise vor einem Säbelzahntiger davonlaufen müssen, dann werden in der Beinmuskulatur die Glykogenvorräte blitzschnell in sofort verfügbare Energie für die Beine umgewandelt. Dadurch ist gewährleistet, dass die Energie auch genau dort zur Verfügung steht, wo Du sie gerade benötigst.
Es wäre äußerst unwirtschaftlich, wenn Du bei einer Gefahren- oder Stress-Situation erst etwas zuckerhaltiges essen müsstest, um schnell mal Energie bereitstellen zu können. Schließlich müsste das Gegessene dafür auch vorher noch verdaut und zerlegt werden. Für solche Situationen haben wir kleine Kohlenhydratspeicher.
Sind die Speicher geleert, müssen sie wieder aufgefüllt werden. Das funktioniert über die Nahrung.
Glukose - der Treibstoff der Zellen
Wir verbrauchen aber auch laufend Glukose-Moleküle als Energiesubstrat und zwar in jeder Sekunde und Millisekunde. Mit diesem Baustein werden Körperfunktionen aufrecht erhalten. Glukose versorgt alle Organe im Körper mit Energie, damit sie ihre Arbeit überhaupt erst verrichten können.
Du kannst Dir das in etwa wie ein Auto vorstellen. Der Motor bewegt die Räder, aber damit er das überhaupt machen kann, braucht er Treibstoff. Ist kein Treibstoff da, kann er seiner Aufgabe, die Räder zu bewegen, nicht nachkommen.
Im Körper ist der Treibstoff die Glukose. Ist keine Glukose im Körper, dann bleibt er - Gott sei Dank! - nicht einfach stehen, sondern baut sich aus anderen Substanzen selbst Glukose auf, denn ohne Glukose geht's nicht.
Low carb und der Körper wird aktiv
Und hier harkt die Low-carb-Bewegung ein: der Körper baut sich das, was er braucht, selbst. Das ist richtig und gut so, denn ansonsten wäre die Menschheit wohl schon längst ausgestorben.
Doch woraus wird die Glukose gebaut?
In erster Linie müssen körpereigene Proteine dafür herhalten. Meist sind das Muskeln, die momentan nicht gebraucht werden. Diese werden abgebaut und zu Glukose umgebaut. Damit steht dem Körper ausreichend Energie zur Verfügung.
Fett kann auch teilweise als Energiesubstrat herangezogen werden, in Form von sogenannten Ketonkörpern. Das ist allerdings für den Körper viel aufwendiger und kostet auch viel Energie.
Bestimmt kannst Du Dir vorstellen, dass der chemische Umbauprozess im Körper von Proteinen auf Kohlenhydrate ziemlich viel Energie braucht.
Low carb ist auf Dauer ungesund!
Nicht nur, dass zusätzliche Energie verbraucht wird, leidet der Körper auf lange Sicht unter dem Kohlenhydratentzug. Das wäre nicht notwendig, würden ausreichend Kohlenhydrate Bestandteil der Ernährung sein. Und daher kann low carb auf Dauer nicht funktionieren.
Was passiert beim Kohlenhydratentzug:
Low carb und die Muskelmasse schrumpft
Das Gewebe, welches Energie verbraucht und ein Garant dafür ist, dass Du Gewicht verlierst, ist die Muskelmasse. Egal, ob wir von der Skelettmuskulatur sprechen, also die Muskeln an Armen und Beinen oder von der Muskulatur um und in den Organen. Wenn Muskelmasse schrumpft, dann geht Dein Grundumsatz zurück und Du musst insgesamt noch weniger Energie zuführen, um Gewicht abnehmen zu können.
Denn Abnehmen kannst Du nur, wenn Du weniger Energie zuführst als Du verbrauchst.
Die Muskelmasse kann auch nur bis zu einem gewissen Grad als Energielieferant herhalten, weil wir ein bestimmtes Mindestvolumen an Proteinen im Körper brauchen, um zu funktionieren, also um zu überleben.
Low carb und die Nieren sind extrem belastet
Durch das Meiden von Kohlenhydraten nimmst Du automatisch mehr Proteine mit der Nahrung auf. Das führt zu erhöhten Harnsäurewerten im Blut und kann nachhaltig die Nieren schädigen.
Wenn Proteine, also Eiweiß abgebaut wird, bleibt Harnsäure übrig, die normalerweise über die Nieren mit dem Harn ausgeschieden wird.
Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe oder auch Gichtanfälle können auftreten und die Folge einer unausgewogenen Zusammensetzung der Nährstoffe Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett sein.
Low carb und die Fettzufuhr steigt
Auch Fette werden bei einer low carb Diät oder in der ketogenen Ernährung verstärkt aufgenommen. Das führt zu einer Belastung des Leberstoffwechsels und kann in weiterer Folge zu Problemen mit dem Herz-Kreislauf-System führen.
Fettablagerungen in den Blutgefässen können hier die Folge von einer falschen Zusammensetzung der Ernährung sein.
Low carb und die Psyche leidet
Ganz abgesehen von den körperlichen Beeinträchtigungen, die mit einer low-carb-Ernährung einhergehen, kann diese Ernährungsform einen massiven Stress für die Psyche bedeuten.
Es ist für uns einfach unnatürlich auf Getreideprodukte jeglicher Form zu verzichten. Viele ziehen das halt einfach durch, weil sie sich einen Abnehmerfolg erhoffen, obwohl es ihnen sehr schwer fällt, kaum Kohlenhydrate zu essen. Viele werden nicht satt oder bekommen sofort wieder Hunger und essen dann wesentlich mehr Eiweiß und Fett um dem Hungergefühl entgegenzuwirken.
Neben Mundgeruch und Übelkeit ist dauerhafter Verzicht immer mit einem Stress für den Körper in Verbindung zu bringen. Konsequent einer unnatürlichen Ernährungsform zu folgen bedeutet eine regelrechte Herausforderung und gipfelt meist in Heißhungerattacken.
Heißhungerattacken sind nicht nur dem Verzicht geschuldet, sondern können auch als Symptom eines unausgewogenen Kohlenhydrat-Eiweiß-Verhältnisses in der Ernährung gewertet werden.
Solltest Du lieber ein Video anschauen wollen ...
Warum low carb auf Dauer nicht funktionieren kann
Low carb funktioniert, bis zu einem gewissen Grad, jedoch nicht auf Dauer. Durch den Muskelmasse-Abbau verlierst Du natürlich Gewicht. Zudem verlierst Du damit auch Körperwasser und insgesamt zeigt Dir die Waage dann ein schönes Ergebnis an.
Die Waage ist hier allerdings ein schlechtes Orakel, was das Gewicht anbelangt und darauf solltest Du Dich in keinem Fall alleine verlassen. Denn Muskelmasse wiegt deutlich mehr als Fett. Besser ist es in jedem Fall, einmal eine Messung der Körperzusammensetzung, eine BIA, machen zu lassen.
Low carb und der Grundumsatz
Der große Nachteil, wenn Du mit Hilfe von low carb Dein Gewicht reduzierst, ist, dass Du immer weniger essen müsstest, um weiterhin abnehmen zu können. Denn mit dem Abbau der Muskelmasse sinkt der Grundumsatz. Und damit brauchst Du einfach auch weniger Energie.
Isst Du dann wieder Kohlenhydrate, braucht der Körper weniger Energie als vorher und dann tritt genau das ein, wovor die Verfechter des low-carb-Trends warnen: Der Körper baut den überschüssigen Zucker in Fett um. Und das ist ganz logisch, denn es stehen weniger energieverbrauchende Muskelzellen zur Verfügung. Die haben wir uns ja vorher mit low carb zerschossen.
Low carb kann also nicht funktionieren, ganz abgesehen von vielen gesundheitlichen Risiken, die Du mit so einer Ernährungsform zweifelsohne eingehst.
Was aber funktioniert statt low carb?
Eine gesunde und ausgewogene, individuell auf Dich abgestimmte Ernährungsform. Ich weiß, das klingt jetzt etwas abgedroschen, aber genau das ist es, was auf Dauer funktioniert, Dir auch gut tut und keinesfalls schadet. Diäten und einseitigen Ernährungsformen bringen scheinbar kurzfristige Erfolge, funktionieren aber auf Dauer nicht.
Ich habe 3 Strategien zusammengestellt, mit denen Du starten kannst, Dein Gewicht abzunehmen und wie Du Dein Gewicht auch halten kannst. Das ist natürlich nur ein Anfang, aber ein guter und ein gesunder, der ganz ohne Verzicht auskommt.
Klingt doch vielversprechend, oder?
Bleib dran!
Alles Liebe,
Deine Susanne
Schreib mir doch!
Wie ist Deine Erfahrung mit low carb? Hast Du es schon ausprobiert? Wieviel hast Du abgenommen? Und hast Du das Gewicht auch langfristig halten können? Schreib mir in einem E-Mail oder Kommentar von Deinen Erfahrungen!
Zusammenfassung für Schnell-Leser 😉
Lesezeit 1 Minute
Warum low carb nicht funktionieren kann
Durch eine Ernährung mit wenig bis kaum Kohlenhydraten, wie es der low-carb-Trend (auch bekannt unter dem Begriff ketogene Ernährung) vorgibt sinkt der Grundumsatz. Das passiert deshalb, weil der Körper aus körpereigenem Eiweiß Glukose selbst herstellt, um das Defizit der Nahrung auszugleichen. Glukose ist unser wichtigstes Energiesubstrat im Körper. Bekommt der Körper dieses nicht, baut er es sich selbst.
Abnehmen geht, bis zu einem gewissen Grad
Anfangs nimmst Du natürlich durch diese Diät ab, aber in erster Linie Muskelmasse und Körperwasser. Dadurch erschaffst Du allerdings einen Teufelskreis. Die abgebaute Muskelmasse hat zur Folge, dass Du auch weniger Energie verbrauchst. Führst Du irgendwann wieder Kohlenhydrate zu, werden die nun überschüssigen Zucker in Fett umgewandelt. Damit veränderst Du Deine Körperzusammensetzung genau in die falsche Richtung: mehr Fett, weniger Muskelmasse.
... allerdings mit Folgen
Gesundheitliche Folgen - gerade für Menschen die darauf sensibel reagieren - kann diese Ernährungsform auch haben: Niere und Leber sind wesentlich stärker belastet durch die unweigerlich mit dieser Ernährungsform in Zusammenhang stehenden höhere Eiweiß- und Fettzufuhr.
Die Auswirkungen sind fatal: neben Mundgeruch und Übelkeit, Heißhungerattacken und Gichtanfällen, kann diese Ernährungsform auch Schädigungen am Herzkreislaufsystem sowie Nieren- und Leberschäden nach sich ziehen.
Alles in allem kein erstrebenswerter Zustand!
Daher meine Empfehlung: lass die Finger von einseitigen Diäten und Ernährungsformen!
DANKE! Ich bin Ernährungswissenschaftlerin und auch wenn ich der Ansicht bin, dass Low Carb (nicht unbedingt Keto) bei manchen Patienten funktionieren kann, irritiert es mich, wenn es als Allheilmittel gesehen wird. Ja, ich arbeite mit Ärzten zusammen, die eine ketogene Diät therapeutisch einsetzen. Das ist aber eine ganz andere Geschichte. Anfang des Jahres hatte ich eine Kundin zum Erstgespräch, die sich aber dann entschieden hat, mit einem anderen Berater zusammenzuarbeiten. Der hatte ihr rund 10 kg weniger in 1 Monat versprochen, was physiologisch nicht möglich ist (wenn man von FETTverlust ausgeht und nicht nur Wasserausscheidung anstrebt). Keto war das Wundermittel. Die Frau ist etwa 3 Wochen nach Beginn des Programms an einer Ketose gestorben. Daher bin ich für jeden Kollegen dankbar, der kritisch hinterfragt und Dein Artikel ist sehr ausführlich. Ich hoffe nur, dass ganz viele Menschen das lesen. Ich sehe eine strikt ketogene Diät (also etwa 40-50 g Kohlenhydrate am Tag) als sehr schwierig an. Gerade bei meiner Zielgruppe (Frauen in den Wechseljahren) sehe ich ein großes Risiko, dass bei weitem nicht alle Mikronährstoffe mit einer Keto-Diät aufgenommen werden können. Nahrungsergänzung ist da keine Lösung. Der Muskelabbau ist nochmal ein ganz anderes Thema. Da haben die Leute dann dauerhaft „Freude“ dran. Nochmals Danke für den Beitrag.
Liebe Heike,
herzlichen Dank für Deine Einschätzung und für Dein doch sehr trauriges Beispiel. Ich habe so einen Fall Gott sei Dank noch nicht persönlich erleben müssen, sehe jedoch immer wieder, dass sich gerade verzweifelte Frauen rund um die 40 mit dieser einseitigen Ernährungsweise ihren Stoffwechsel komplett zerschießen und es Monate, fallweise auch Jahre dauert, bis sich der Stoffwechsel wieder normalisiert. Ein seriöser Berater würde niemals solch unmögliche Versprechen von 10 Kilo in einem Monat abgeben.
LG Susanne
Liebe Susanne!
Ich habe noch nie low-carb ausprobiert, aber als Sportler (normaler, berufstätiger Freizeitsportler) kann man nicht laufen oder mountainbiken, ohne Kohlenhydrate aufzunehmen. Und es müsste wirklich schon hinlänglich erkannt sein, dass der Körper eben von allem etwas braucht. Also Hände weg von abenteuerlichen Programmen. Ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung samt Bewegung ist der Schlüssel zum Erfolg!
In diesem Sinne: lasst Euch die Kekse gut schmecken und genießt die Feiertage ??
Herzlichen Dank, Regine!
Da hast Du vollkommen Recht und ich bin ja überhaupt der Meinung, dass Essen da ist, um es zu genießen 😉
Ich wünsche Dir ebenfalls schöne und genussvolle Feiertage!
LG Susanne